Laut statistischem Bundesamt sind 2021 mehr als zwei Drittel (69%) der Geschäfts- und Privatreisen mit mindestens einer Übernachtung mit dem Auto durchgeführt worden. Für touristische Gemeinden und ihre Bürger bringt der PKW-Verkehr jedoch Herausforderungen mit sich.
Die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen am Bodensee hat im August 2022 auf vier Parkplätzen ein schrankenloses digitales Parksystem eingeführt, um Parken so schnell und einfach wie möglich zu gestalten und die Anwohner zu entlasten. Die Lösung ist Teil eines umfassenden Verkehrsdigitalisierungsprojektes der Kommune. Der bis Juni 2023 amtierende Bürgermeister des Ortes, Matthias Weckbach, erklärt im Interview, wie es zu der Umstellung gekommen ist und welchen Einfluss das neue System auf den touristisch geprägten Ort hat. Armin Belz vom Hotel Anker aus Bodman gibt eine Einschätzung aus Sicht eines Hoteliers.
Hotelierehepaar Belz. Bildquelle: Otlinghaus Fotodesign
Matthias Weckbach. Bildquelle Bodman-Ludwigshafen
INTERVIEW
Redaktion Touristikzeitung: Welchen Herausforderungen müssen sich touristische Destinationen wie Bodman-Ludwigshafen in Zeiten der Digitalisierung stellen?
Matthias Weckbach: Die Digitalisierung beeinflusst alle Aspekte der öffentlichen Verwaltung und Versorgung, auch den Verkehr. Für touristische Gemeinden wie Bodman-Ludwigshafen gibt es mehrere Gründe, ein digitales Parkraummanagementsystem einzuführen. Uns war besonders wichtig, den Suchverkehr in Bodman-Ludwigshafen einzudämmen, der für verstopfte Straßen und Lärm in der Ortschaft gesorgt hat – die Anreisenden wussten nicht, wo sich Parkflächen befinden, wieviele Parkplätze noch frei sind und zu welchem Preis sie dort parken können. Weiteren Frust verursachte, dass sich die Parkenden bereits zu Beginn ihres Parkvorgangs für die Parkdauer entscheiden und einen entsprechenden Parkschein lösen mussten. Daher haben wir nach einer Lösung gesucht, bei der die Parkenden erst vor Verlassen der Flächen bezahlen müssen - und zwar genau für die Dauer, die sie geparkt haben.
Nach dem Vergleich einiger Anbieter haben wir uns für Peter Park als Partner entschieden. Die Zusammenarbeit hat uns von Anfang an zugesagt und wir hatten mit CCO Stefan Schenk einen Ansprechpartner, der uns stets pragmatisch und unkompliziert zur Seite stand.
Redaktion Touristikzeitung: Welche Verbesserungen mit Blick auf die Parkplatzsituation sehen Sie seit der Implementierung des Systems?
Matthias Weckbach: Wir haben das neue System erst am 17. August 2022, gegen Ende der vergangenen Sommersaison, in Betrieb genommen. Daher sind wir auf die Hauptsaison 23 gespannt, besonders darauf, wie die Gäste das neue System bewerten. Doch bis dato ist die Resonanz der Nutzer der Parkflächen durchaus positiv. Was uns ebenso bereits jetzt positiv auffällt, ist, dass der innerörtliche Suchverkehr abgenommen hat. Außerdem lassen sich mit dem digitalen Parkraummanagementsystem Falschparker viel einfacher nachverfolgen.
Redaktion Touristikzeitung: Wie wurde die Implementierung des digitalen Parkraummanagementsystems an die Bewohner Ihrer Kommune und die Gäste kommuniziert?
Matthias Weckbach: Wir haben über unser Mitteilungsblatt, online über die Homepage und in den sozialen Medien über den Start des neuen Systems informiert. An den Ortseinfahrten weisen Schilder auf die verschiedenen Parkmöglichkeiten im Ort hin. Zudem stehen direkt auf den Parkplätzen Tafeln mit einer Anleitung, wie das schrankenlose Parken funktioniert. Die aktuelle Auslastung der Parkflächen finden Interessierte zusätzlich auf der Website unserer Gemeinde, im Navigationsgerät und können sich über ihr Smartphone informieren, wo noch Stellplätze zur Verfügung stehen.
Redaktion Touristikzeitung: Hatte die Installation des Systems Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Gemeinde, zum Beispiel durch eine Steigerung der Einnahmen durch Parkgebühren?
Matthias Weckbach: Früher mussten wir Personal abstellen, um zu prüfen, ob alle Parkenden ein Ticket gelöst haben. Das ließ Falschparkern viel Spielraum und einige haben das ausgenutzt, in der Hoffnung, nicht kontrolliert zu werden.
Das geht nun nicht mehr, da Kameras alle Fahrzeugkennzeichen beim Einfahren auf die Parkplätze scannen. Auch beim Verlassen der Flächen werden die Kennzeichen wieder erfasst, woraus sich die Parkdauer ergibt. Das Vorgehen ist konform zur Europäischen Datenschutzgrundverordnung. Die zusätzlichen Einnahmen und ersparten Ausgaben erlauben die Finanzierung von Maßnahmen in der Gemeinde, um das Angebot und die Besucherfreundlichkeit des Ortes zu verbessern.
Redaktion Touristikzeitung: Wenn Sie das neue Parkraummanagementsystem aus der Perspektive der Nachhaltigkeit betrachten, welche Auswirkungen haben Sie beobachtet?
Matthias Weckbach: Das ist noch etwas schwierig zu beantworten, weil seit der Einführung des neuen Systems, wie gesagt, Nebensaison war; ich bin aber davon überzeugt, dass das neue Parkraumsystem auch die Einsparung von CO2 unterstützen wird. Das neue Parkleitsystem und die Möglichkeit, im Vorfeld die Verfügbarkeit zu überprüfen, reduziert den Suchverkehr und mindert somit den dadurch verursachten CO2-Ausstoß. Autofahrer können nun die Parkflächen gezielt ansteuern und - ohne vor Schranken zu warten - direkt befahren.
Armin Belz: Ich denke auch, dass mit dem digitalen Parkraummanagement der Suchverkehr mit seinen einhergehenden Belastungen eingegrenzt werden kann. Zudem werden Rückstaus vor den Parkplätzen wegfallen, was ebenfalls dazu beitragen wird, die CO2-Ausstöße im Ort zu verringern.
Redaktion Touristikzeitung: Wie haben die Bürger von Bodman-Ludwigshafen auf das neue digitale Parkraumsystem reagiert?
Matthias Weckbach: Die Begeisterung der Anwohner gegenüber dem Tourismus hat in den vergangenen Jahren wegen des gestiegenen Verkehrsaufkommens und den vielen Falschparkern abgenommen. Ich bin der Ansicht, dass sich die Einstellung gegenüber dem Tourismus durch die Vorteile des digitalen Parkraummanagements wieder positiv entwickelt.
Armin Belz: Für mich als Hotelier ist eine positive Einstellung der Gemeinde gegenüber Gästen besonders relevant, denn damit sich Besucher bei uns wohlfühlen, müssen sie auch freudig empfangen werden.
Foto: Franziska Rietschel - Tourismus, Kultur und Marketing Bodman-Ludwigshafen
Redaktion Touristikzeitung: Welche funktionalen Faktoren müssen in Ihren Augen gegeben sein, damit ein digitales Parkraummangementsystem akzeptiert wird? Gibt es weitere Faktoren, die sich Ihrer Meinung nach positiv auf die Akzeptanz eines solchen Systems auswirken?
Armin Belz: Aus meiner Sicht sind grundsätzlich zwei Punkte zu beachten, damit ein neues, modernes System wie digitales Parkraummanagement akzeptiert wird: Die Technik muss funktionieren und die Parkgebühren sollten angemessen sein.
Matthias Weckbach: Diese beiden Aspekte spielten bei der Auswahl der neuen Lösung eine wichtige Rolle. Wir hatten schon vor der Implementierung des Peter Park Systems unterschiedliche Tarifstrukturen auf den Parkflächen sowie ein Tagesticket eingeführt und die Preisstruktur angepasst. Die leicht höheren Preise beispielsweise auf den see- und zentrumsnahen Parkplätzen sollen Besucher dazu anregen, die Parkplätze aufzusuchen, die sich nicht in Zentrumsnähe befinden. Das reduziert automatisch den Suchverkehr und die Frequenz auf den zentralen Parkflächen. Wer gut parkt und auch zufrieden ist, der kommt auch gerne wieder in den Ort!
Redaktion Touristikzeitung: Welche Chancen sehen Sie für eine touristisch geprägte Gemeinde wie Ihre in der Digitalisierung von Parkplätzen?
Matthias Weckbach: Die Digitalisierung bringt neue Möglichkeiten, den Verkehr zu steuern. Mit der Einführung des digitalen Parkraummanagementsystems haben wir zum Beispiel auch unser Tourenprogramm angepasst, um die günstigeren, außerhalb gelegenen Parkplätze attraktiver zu gestalten. Früher starteten alle Touren in der Ortsmitte, jetzt beginnen sie an den weniger zentralen Parkplätzen, auch das entzerrt den Suchverkehr. Der Gast soll insgesamt ein gutes Erlebnis haben, das bequem und transparent ist und ihm einen Mehrwert bietet.
Redaktion Touristikzeitung: Welche Synergien können sich in Ihren Augen aus der gemeinsamen Nutzung digitalisierter Parkflächen von Gemeinden und Hotels ergeben?
Matthias Weckbach: Nicht nur die Hoteliers, sondern auch die Inhaber der Geschäfte und Anlieger brauchen gute Parkplätze für sich, ihre Mitarbeiter, Kunden und Gäste. Entspanntes Parken wirkt sich dann auch insgesamt positiv auf das Tourismusmarketing aus.
Redaktion Touristikzeitung: Herr Belz, was sind die größten Herausforderungen in Bezug auf Parkraummanagement, mit denen Sie als Hotelier konfrontiert werden?
Armin Belz: Als Hotelier liegt mir sehr am Herzen, dass der starke Suchverkehr im Ort zu den Stoßzeiten und generell an Wochenenden oder Feiertagen verringert wird. In der digitalen Parkraumbewirtschaftung sehen wir eine große Chance, diese Herausforderung zu meistern. Das entspannt den gesamten Ort und macht diesen natürlich auch attraktiver für den Gast.
Redaktion Touristikzeitung: Inwiefern kann digitales Parkraummanagement auf öffentlichen Flächen in der Gemeinde aus Ihrer Sicht das Besuchererlebnis Ihrer Gäste verbessern und das Image Ihres Hotels stärken?
Armin Belz: In unserem Fall gestalten sich dadurch der Check-in und der Check-out-Prozess für die Gäste angenehmer. Sie können vor dem Erhalt des Zimmerschlüssels, der ihnen erst die Zufahrt zur hauseigenen Garage ermöglicht, auf Parkflächen der Gemeinde für 30 Minuten kostenfrei parken. In dieser Karenzzeit können sie einchecken, ohne dass ihnen zusätzliche Kosten entstehen. Auch bei der Abreise profitiert der Gast, selbst wenn nach dem Check-out die hauseigene Tiefgarage nicht weiter genutzt werden kann. Das von der Gemeinde eingeführte Tagesticket für fünf Euro ist ein attraktiver und preiswerter Anreiz, den Tag noch gemütlich in Bodman-Ludwigshafen ausklingen zu lassen.